5e Rezens. Unterhaltung

Guillermo Martínez: Roderers Eröffnung

Taschenbuch: 118 Seiten
Verlag: Fischer Taschenbuch Verlag (März 2011)
ISBN-13: 978-3-596-18263-3
Originaltitel: Acerca de Roderer (1992)
Übersetzung: Angelica Ammar
Der Autor:
Guillermo Martínez ist 1962 in Bahía Blanca geboren. Sein Roman „Die Pythagoras-Morde“ wurde mit dem Premio Planeta-Preis ausgezeichnet und in 38 Ländern veröffentlicht. 2008 erschien auf Deutsch „Der langsame Tod der Luciana B.“. Der promovierte Mathematiker lebt heute in Buenos Aires und widmet sich ganz dem Schreiben.
Klappentext:
Abend für Abend sitzen Roderer und sein Freund im Club Olimpo, spielen Schach und verlieren sich in Gedankenspielen. Während das Genie Roderer langsam den Bezug zur Realität verliert, stellt sich sein Freund zunehmend den Anforderungen des Lebens. Bald opfert Roderer alles: seine Freunde, die Familie, sogar Christina, die ihn abgöttisch liebt. Und alles nur, um der absoluten Wahrheit des Seins auf die Spur zu kommen.

„Roderers Eröffnung“ ist eine Prosa über Hochbegabte, die es teilweise so schwer haben, ihren Platz in unserer Gesellschaft zu finden.
Mit dem Ich-Erzähler und Gustavo Roderer hat der Autor zwei interessante Charaktere geschaffen, die jeder einer eigenen Gruppe von Hochbegabten angehören: „Da wäre zum einen … die assimilierende Intelligenz, die ähnlich wie ein Schwamm alles sofort in sich aufsaugt, die vertrauensvoll vorangeht und von anderen aufgestellte Beziehungen und Analogien selbstständig anerkennt, die im Einverständnis mit der Welt ist und sich in allen geistigen Domänen in ihrem Element führt. (…) Was nun den anderen Intelligenztyp betrifft, … so ist er wesentlich seltener und schwieriger zu finden. Es handelt sich da um eine Art von Intelligenz, die die gewohnten geistigen Bahnen, die gängigen Argumente, alles Bekannte und Bewiesene als befremdlich oder häufig sogar als feindlich empfindet. Für diese Intelligenz ist nichts normal, sie nimmt nichts an, ohne gleichzeitig eine gewisse Ablehnung zu verspüren…“

Gustavo Roderer, der dem zweiten Grundtyp angehört, kapselt sich mehr und mehr ab und steuert bei der Suche nach dem absoluten Wissen auf seinen Untergang zu. Der Ich-Erzähler und seine Schwester stehen lange Zeit vor der Frage: Ist Gustavo krank oder nimmt der Drogen? Doch die Antwort scheint auch keine Lösung bereit zu halten…

Guillermo Martínez bedient sich in seinem Werk u.a. der Mathematik, der Logik und der Philosophie und beschreibt literarisch wunderbar das Denken hochbegabter Menschen. Beeindruckend! Ich konnte der Fachterminologie nicht immer folgen, aber das tat dem Lesefluss überhaupt keinen Abbruch. Fesselnd bis zum Schluss!

5 Sterne / Schulnote 1,2

- in: 5e Rezens. Unterhaltung 1548 mal gelesen

Florian Beckerhoff: Frau Ella


Gebundene Ausgabe: 315 Seiten
Verlag: List Hardcover (17. Juli 2009)
ISBN-10: 3471350233
ISBN-13: 978-3471350232


Klappentext:
Filterkaffee trifft Latte macchiato… Frau Ella, rüstige 87, soll am Auge operiert werden. Völlig unnötig, findet sie. In der Klinik begegnet ihr zum Glück der junge Sascha, befreit sie aus den Fängen der Ärzte und quartiert sie erst einmal bei sich zu Hause ein. Nur für eine Nacht, glaubt Sascha. Doch dann kommt alles anders. Ein humorvoller und warmherziger Roman über eine ungewöhnliche Freundschaft.


Sascha, der sich alles andere als eine alte Schachtel als Bettnachbarin in seinem Krankenzimmer wünscht, merkt sehr bald, dass etwas nicht stimmt am Plan der Ärzte, eine beinahe 90jährige im eine Vollnarkose legen zu wollen; spontan entführt er die ansonsten sehr rüstige Rentnerin aus der Augenklinik; für einen Tag - wie er glaubt. Tatsächlich aber bleibt es nicht bei seinem Plan und so nimmt er sich zusammen mit seinem Freund Klaus der alten Dame an, kleidet sie neu ein, entführt sie in die Welt seiner Generation und unternimmt mit ihr eine Reise in Frau Ellas Vergangenheit. Doch die spontane WG bleibt nicht ohne Folgen – weder für den leicht depressiv angehauchten Sascha, noch für die alte Dame, die es sich in den Kopf gesetzt hat, Saschas Leben in Ordnung zu bringen, damit sie so schnell wie möglich in ihr eigenes zurück kehren kann…

Florian Beckerhoff beschreibt liebevoll seine Charaktere und zeigt auf sehr angenehme Art und Weise, dass man durchaus Brücken zwischen den vermeintlich ach so verschiedenen Generationen bauen kann. Das Buch hat mir sehr gut gefallen; das Cover allerdings finde ich sehr unpassend: Erwartet hatte ich einen Giftzahn a la Else Kling aus der Lindenstraße, die Saschas Haushalt an sich reißt mit eiserner, preußischer Hand… Dabei ist das Gegenteil der Fall…

Schulnote 2,1

- in: 5e Rezens. Unterhaltung 1651 mal gelesen

Heike Makatsch: Keine Lieder über Liebe

Taschenbuch: 200 Seiten
Verlag: Kiepenheuer & Witsch; Auflage: 1 (2005)
ISBN-10: 3462036025
ISBN-13: 978-3462036022
Kurzbeschreibung:
„Liebes Tagebuch, kaum öffne ich mich dir, quillt alles heraus, ungefiltert und ohne Struktur.“

Ellen, Anfang dreißig, lebt seit einem Jahr in Berlin mit ihrem Freund Tobias, einem angehenden Regisseur, zusammen. Der will einen Dokumentarfilm über die HANSEN BAND drehen, deren Sänger sein Bruder Markus ist. Was Tobias nicht weiß: Ellen und Markus kennen sich besser, als Tobias glaubt. Die Tournee wird zu einer aufregenden, ereignisreichen Reise, die so manchen verborgenen Konflikt an die Oberfläche spült.
Das Buch stand in meinem Urlaubshotel im Eingangsbereich in einem "Nimm ein Buch und lass eines da"-Regal; ich nahm es mehr aus Überraschung bei der Entdeckung, dass Heike Makatsch ein Buch geschrieben hat.

Um es aber kurz zu machen: „Keine Lieder über Liebe“ hat mich überhaupt nicht vom Hocker gerissen. Zu keiner Zeit hatte ich den Eindruck, dass es eine 30jährige ist, die da über ihre innere Zerrissenheit, ausgelöst durch den One-Night-Stand mit dem Bruder ihres Freundes, schreibt. Vielmehr hatte ich den Eindruck, es sind die Gedanken einer Anfang-Zwanzigerin – zumal der Schreibstil meines Erachtens nur vorgibt, ein Tagebuch zu sein; wer hat wirklich Zeit, derart detailliert und langatmig die gleiche Problematik wieder und wieder zu kauen, bis von der Geschichte nur noch ein ausgelutschter Klumpen übrig ist, den man irgendwann von lauter Kopfschmerz ausspucken will? Derart viel Zeit hat man in der Pubertät… als Schüler…

Abgesehen von der permanenten Verunstaltung der deutschen Sprache (wie sehr nervt mich dieses „etwas macht Sinn“ anstatt korrekt zu sagen „es ergibt einen Sinn“; ebenso wie man etwas „begreift“ und nicht „realisiert“…) saß ich die ganze Zeit da und dachte: Wie oft wollen wir es noch durchkauen: Du hast den Bruder Deines Freundes gevögelt, ja… wir haben es begriffen! Komm zum Punkt, komm zu einer Erkenntnis – mach irgendwas! Aber mach was!!! Und ergieße Dich nicht immer wieder in hochkomplizierten Sätzen…

Schade, denn ich mag Heike Makatsch sehr. Schon aus diesem Grund werde ich mir die Verfilmung des Buches ansehen.

Schulnote 3,6 (Zwei von fünf Sternen)

- in: 5e Rezens. Unterhaltung 1614 mal gelesen

Jonathan Tropper: Sieben verdammt lange Tage



Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
Verlag: Knaur (20. August 2010)
ISBN-10: 3426662736
ISBN-13: 978-3426662731
Originaltitel: This is Where I Leave You

Klappentext:
“Ich bin deine Mutter, und ich liebe dich.“ Das sagt Mom immer. Das nächste Wort lautet stets: „Aber…“ – Die Familientreffen der Foxmans enden stets mit Türenschlagen und quietschenden Reifen, wenn Judd und seine Geschwister so schnell wie möglich einen Sicherheitsabstand zwischen sich und das Elternhaus bringen. Doch nun ist ihr Vater gestorben. Sein letzter Wunsch treibt allen den Angstschweiß auf die Stirn: Die Foxmans sollen Schiwa sitzen, sieben Tage die traditionelle Totenwache halten. Das bedeutet, dass sie auf unbequemen Stühlen in einemkleinen Raum gefangen sind und nicht davonlaufen können. Nicht vor dem, was zwischen ihnen passiert ist - und nicht vor dem, was die Zukunft für sie bereit hält.

Über den Autor:
Jonathan Tropper wurde 1970 in New York City geboren. Er studierte Literatur und Literarisches Schreiben und lebt heute mit seiner Familie in New Rochelle (New York). Er gibt Schreibseminare an der Universität und ist als Schriftsteller erfolgreich.
Meine Rezension:

„Sieben verdammt lange Tage“ ist nach „Zeit für Plan B“ (2000), „Der Stadtfeind Nr. 1“ (2004), „Enthüllt“ (2005) und „Mein fast perfektes Leben“ (2007) Troppers fünfter Roman.

Wer schon immer einmal wissen wollte, was in einem Mann vorgeht (vor allem, wie er sich fühlt, wenn er seine Ehefrau mit deren Liebhaber im eigenen Schlafzimmer erwischt), der kommt an diesem Buch nicht vorbei; es ist unvorstellbar, wie man einen Moment von wenigen Sekunden derart detailliert und witzig (!) über mehrere Seiten hinweg erzählen kann.

Auch wenn mir die Ausdrucksweise manchmal ein wenig zu vulgär und derb war: Diese Familie muss man lieben. Judd berichtet in Echtzeit-Erzählung detailliert das Geschehen, und ich bin mir sicher, dass einem mehr als nur eine Szene beziehungsweise Gespräch sehr bekannt vor kommt und einen Vorgeschmack auf die nächste eigene Familienfeier gibt.

Meine Lieblingsfigur war zweifelsohne Philipp, Judds jüngster Bruder, der mit seinem Talent, alle erdenklichen Szenen mit einem perfekten Filmzitat zu kommentieren, sofort in mein Herz gesprungen ist.

Doch auch alle anderen Figuren dieses Romans wurden liebenswert und detailliert charakterisiert mit einer guten Portion an Spannung, Tragik und Komik. Das Ende überrascht, lässt einen aber angenehm zurück.

Jonathan Troppers aktueller Roman hat mich neugierig auf seine Vorgänger gemacht, von denen ich den einen oder anderen auf jeden Fall lesen möchte.

viereinhalb Sterne von fünf/Schulnote 1,6
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- in: 5e Rezens. Unterhaltung 1525 mal gelesen

Cathy Lamb: Blau wie Schokolade


Gebundene Ausgabe: 445 Seiten
Verlag: Krüger, Frankfurt; Auflage: 1 (4. Mai 2010)
ISBN-10: 3810512931
ISBN-13: 978-3810512932
Originaltitel: The Last Time I Was Me
Klappentext:
“Die meisten Frauen sehen völlig unschuldig aus. Einige sind es vielleicht auch. Viele jedoch nicht. Viele haben Geheimnisse. Sogar ziemlich große, wenn ich das sagen darf.“ – Als Jeanne Stewart vor einem Cafe in Weltana, Oregon, anhält, um zum ersten Mal seit zwölf Jahren Pfannkuchen zu essen, hat sie noch keine Ahnung, dass sie dabei ist, sich ein ganz neues Leben zu bestellen. Schließlich ist es noch keine Woche her, dass sie ihren Job als Kreativdirektorin einer großen Agentur in Chicago hinschmiss. Und sich in ihr Auto setzte, um Richtung Pazifik davonzubrausen.

Dieses Buch war bereits nach wenigen Seiten auf dem besten Weg, zu einem meiner Lieblingsbücher zu werden. Ich habe es genossen!

Jeanne, eine PR-Managerin, die viele Schicksalsschläge (den Verlust u.a. ihres Liebsten) verschmerzen musste, hatte sich die letzten Jahre in die Arbeit gestürzt, einen neuen Freund gesucht und einfach versucht, zu überleben. Als ihr Freund – jetzt Exfreund; sie nennt ihn durchweg „Schlappschwanz“ – schließlich fremdgeht, sieht sie sich zu einem Racheakt getrieben, der ihr eine Anzeige und einen gerichtlich verordneten Aggressionsbewältigungskurs einbringt. (Da ich den inneren Klappentext nicht gelesen hatte, ging ich - ausgehend von den dürftigen Beschreibungen in den anfänglichen Kapiteln - die ganze Zeit davon aus, dass sie mit Heißklebepistole die Hoden ihres Exfreundes an dessen Bein festgeklebt hatte; was mich allerdings nicht davon abhielt, weiterzulesen.)
Nachdem Jeanne auch noch ihren Job schmeißt, begibt sie sich auf den Weg zu ihren Bruder nach Oregon und bleibt in Waltana hängen. Im Aggressionsbewältigungskurs, den sie in der Nähe ihrer neuen Wahlheimat macht, gibt sie das Versprechen, zur Ausleitung ihres Zornes bei Nacht nackt am Fluss entlang zu joggen; es kommt, was kommen muss: sie stolpert und landet in den Armen eines fremden Mannes (erwähnte ich, dass sie nackt war?). Eine Achterbahn der Gefühle beginnt, die zeigt, dass man manchmal von seinem Weg abkommen muss, um sich selbst zu finden…

Ich habe gelacht; die ganze Zeit – naja, die meiste Zeit, da es ein paar durchaus tragische Szenen gab; aber überwiegend habe ich gelacht. Habe mich teilweise wiedergefunden (nicht, dass ich Männern mit Heißklebepistole den Hoden am Bein festkleben würde… darüber nachdenken: ja. Es tun: nein.) – in der Verzweiflung, die einen manchmal überfallen und beinahe schachmatt setzen kann; in der Freude, wenn man es schafft, sich wieder zu motivieren und neu anzufangen; in der Leidenschaft für eine Sache; in der Freundschaft, die Menschen auf immer verbindet.

Das Buch hat mich so gut unterhalten, wie schon lange keines mehr und ich danke Cathy Lamb für diesen Roman!

Schulnote 1,3
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- in: 5e Rezens. Unterhaltung 2002 mal gelesen

Lucie Whitehouse: Als hätten wir alle Zeit der Welt


Gebundene Ausgabe: 432 Seiten
Verlag: Krüger, Frankfurt (5. Februar 2008)
ISBN-10: 381052364X
ISBN-13: 978-3810523648
Originaltitel: The House at Midnight


Klappentext:
Joanna und ihre Freunde sind seit Studienzeiten unzertrennlich. Einer von ihnen, Lucas, erbt Stoneborough Manor: ein Herrenhaus auf dem Land – umgeben von einer rätselhaften Atmosphäre. Dort sagt Lucas Joanna endlich, dass er sie liebt. Joanna spürt jedoch bald, dass das Haus eine merkwürdige Wirkunf auf ihn ausübt. Als er in Stoneborough auf beunruhigende Geheimnisse in seiner Familiengeschichte stößt, muss Joanna entscheiden, wie sie wirklich zu ihm steht. Wie durch einen heimlichen Pulsschlag des Hauses angetrieben, werden einen heißen Sommer lang die Schatten der Vergangenheit lebendig. Die erotischen und emotionalen Spannungen eskalieren. Für Joanna zerbrechen Freundschaften, eine neue Beziehung entsteht. Und nichts ist mehr, wie es war…


Als hätten wir alle Zeit der Welt… Das ist es, was ich mich nach der Lektüre dieses Romans von Lucie Whitehouse frage. Der Originaltitel „The House at Midnight“ ("Das Haus um Mitternacht“) ist weitaus treffender… 425 Seiten Gesamtwerk, bei dem ich noch auf Seite 300 nicht wusste, was genau die Autorin mir eigentlich mit dem Buch vermitteln will, und das mich am Ende so unbefriedigt zurückgelassen hat. Stellenweise war es derart langatmig, dass ich quergelesen habe, ohne das Gefühl zu bekommen, etwas verpasst zu haben.

„Als hätten wir alle Zeit der Welt“ ist eine Geschichte über die Freundschaft einer Clique von Endzwanzigern, insbesondere die von Jo und Lucas, die sich seit Jahren in- und auswendig kennen, eine platonische Freundschaft miteinander teilen und leider sehr schnell merken müssen, dass man von einer Liebesbeziehung mit seinem besten Freund besser die Finger lassen sollte; etwas, was doch eigentlich jeder weiß…

Schauplatz ist ein Landsitz, den Lucas von seinem Onkel Patrick geerbt hatte; hier trifft sich der Freundeskreis regelmäßig, bis Jo merkt, dass Lucas sich zunehmend ändert zu einem Mann, der ihr mehr und mehr fremd wird. Als sie sich schließlich in Greg verliebt, beginnt die Beziehung zu Lucas zu eskalieren…

Die Handlung plätschert vor sich hin und ist eine nette Lektüre für einen freien Tag. Vorhersehbar war das Ende für mich nicht – glücklich gemacht hat es mich auch nicht; das Buch hört abrupt auf und hinterlässt viel zu viele Fragen.

Alles in allem weitgehend nett erzählt, aber das war es auch schon.
Schulnote 3,0.

- in: 5e Rezens. Unterhaltung 1617 mal gelesen

Rosendorfer, Herbert: Die große Umwendung

Kurzbeschreibung:
Nach fünfzehn Jahren kehrt Kao-tai, der Mandarin aus dem 10. Jahrhundert, wieder in die Welt der "Großnasen" zurück. Diesmal allerdings nicht zu Forschungszwecken, sondern um sein Leben zu retten.
Da er sich in seiner Zeit auf der Flucht befand, landet er diesmal nach dem Sprung mittels Zeitreisekompass nicht in dem ihm bekannten Min-chen, sondern in einer ihm völlig fremden Stadt namens Kö-leng – und das mitten im Karneval.
Auf der Suche nach seinem alten Freund Herrn "Schi-schmi" verschlägt es ihn quer durch Deutschland, sogar bis nach New York und Rom. Auch diesmal hält er seine Beobachtungen schriftlich fest.

Zum Autor:
Herbert Rosendorfer, am 19. Februar 1934 in Bozen geboren, ist promovierter Jurist und Professor für bayerische Literatur. Er war Gerichtsassessor in Bayreuth, dann Staatsanwalt und ab 1967 Richter in München, von 1993 bis 1997 in Naumburg/Saale. Seit 1969 hat zahlreiche Veröffentlichungen, unter denen die ›Briefe in die chinesische Vergangenheit‹ am bekanntesten geworden sind.
Alle seine Bücher sind auch als Taschenbücher bei dtv erschienen.

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Der Nachfolgeband zu "Briefe in die chinesische Vergangenheit" ist im selben Stil geschrieben: Es handelt sich um Briefe an den Freund, wenn auch diesmal bedauerlicherweise die Anrede, das Datum und der Gruß fehlen.

Kao-tai landet zunächst in Köln, reist per Anhalter auf abenteuerliche Weise nach München, um festzustellen, dass sein Freund Herr Schmidt mittlerweile in den neuen Bundesländern arbeitet – in einer Stadt, die für ihn klingt wie Lip-tsing.
So geht die Reise für Kao-tai diesmal quer durch Deutschland und dort gibt es natürlich viel zu erleben und zu beobachten. Allerdings kam es mir diesmal ein wenig unglaubwürdiger vor und teilweise doch sehr konstruiert.
Man bekommt den Eindruck, der Autor habe diesmal unter Zeitdruck gestanden. Das Buch rast von einer Situation in die nächste, die soweit entfernt von der vorherigen ist und teilweise so absurd, dass man eigentlich nur mit dem Kopf schütteln muss.
Diesmal sind die einzelnen Genres deutlich zu erkennen, die "abgearbeitet" werden mussten und die Überleitung war manchmal schon sehr weit hergeholt. Es kam sogar vor, dass ich einzelne Passagen überblättert habe, weil ich es langatmig fand (z.B. das Kapitel über "Spong" und Malerei). An anderer Stelle habe ich wieder schallend gelacht, weil der Charme und Witz des Vorgängers zu spüren war.

Was ich etwas deplaziert fand, waren die Passagen, in der politische Kritik geäußert wird. Kritik ist gut, aber sie sollte nicht persönlich werden (z.B. an "Obermandarin Ko", "Le-ning-tsu-Schüler Gi-si", "Scha-ping" mit dem langen Hals etc.). Da hatte ich den Eindruck, ich lese nicht Kao-tai sondern Rosendorfers persönliche Abrechnung, die teilweise sehr depressiv-angehaucht bei mir ankam.

Des Weiteren ist mir aufgefallen, dass Herbert Rosendorfer sich wohl nicht die Mühe gemacht hat, sein Erstlingswerk noch einmal zu lesen, bevor er dieses Buch schrieb. So bekommen wir u.a. noch einmal erzählt, wie wundersam Kao-Tai Besteck findet. Auch habe ich diesmal viele Beobachtungs-Begriffe von Kao-tai nicht verstanden und konnte sie auch im Nachhinein nicht enträtseln. Das unterbrach den Lesefluss an manchen Stellen unangenehm.

Alles in allem kann man sich dieses Buch sparen. Die wenigen heiteren und herzerfrischenden Passagen sind zu selten. Da liest man lieber noch einmal das Erstlingswerk.

Ich vergebe Schulnote 3,4

- in: 5e Rezens. Unterhaltung 1596 mal gelesen

Rosendorfer, Herbert: Briefe in die chinesische Vergangenheit


Kurzbeschreibung:

Der Mandarin Kao-tai aus dem China des 10. Jahrhunderts versetzt sich mit Hilfe eines "Zeit-Reise-Kompasses" tausend Jahre in die Zukunft und landet – ohne die ihm unbekannte Erddrehung mit berechnet zu haben - im Min-chen der 1980er.

Verwirrt und zugleich wissbegierig beginnt er mit seinen Beobachtungen, deren Zweck die Zeitreise war. In Briefen schildert er seinem chinesischen Freund seine Erkenntnisse und Erlebnisse, erzählt vom seltsamen Leben der "Großnasen", die er zunächst noch für seine viel zu "lauten weil immer schreienden" Nachkommen hält. Er berichtet von deren kulturellen und technischen Errungenschaften (A-tao und Tamm-amm) und versucht Beobachtungen und Vorgänge zu interpretieren, die ihm selbst zunächst unverständlich sind (z.B. Brandopfer Tsi-ga-ga-lei).


Über den Autor:

Herbert Rosendorfer, am 19. Februar 1934 in Bozen geboren, ist Jurist und Professor für bayerische Literatur. Er war Gerichtsassessor in Bayreuth, dann Staatsanwalt und ab 1967 Richter in München, von 1993 bis 1997 in Naumburg/Saale. Seit 1969 zahlreiche Veröffentlichungen, unter denen die »Briefe in die chinesische Vergangenheit« (dtv 10541 und 25044) am bekanntesten geworden sind. Alle seine Bücher sind auch als Taschenbücher bei dtv erschienen.

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Interessant ist, wie Kao-tai uns alltäglichste Dinge aus seiner Sicht beschreibt, manchmal mit Begriffen, über die man erst einmal nachdenken muss. Wenn ich sie enträtselt hatte, musste ich oftmals schallend lachen, weil sie teilweise so liebenswert waren oder einfach zu treffend! Mir wurde wieder einmal bewusst, dass wir heutzutage so vieles einfach hinnehmen, ohne darüber nachzudenken.

Dieses Buch macht nachdenklich, denn es enthält einige Wahrheiten über unsere Zivilisation. Vielleicht macht es sogar nachdenklicher, als es das vor 20 Jahren getan hat.
Mag sein, dass die dauernde Kritik an der Zivilisation und ihren Errungenschaften und Folgen für manchen nervig sein mag. Man bedenke aber, dass das Buch in den 1980er geschrieben wurde, als Klimaschutz & Co noch nicht Tagesthema war.
Wir sind Leser des 21. Jahrhunderts und werden gerade in den letzten Monaten panikmachend darauf hingewiesen, was falsch läuft und verbessert werden könnte. Die hier erhobene Kritik erfolgt aber eher herzerfrischend und erscheint mir, da naiv formuliert, verständlicher.

Alles in allem gefiel mir das Buch sehr gut, denn ich konnte viele seiner Beobachtungen und Schlüsse sehr gut nachvollziehen.

Ich vergebe daher Schulnote: 1,2

2008-01-30
- in: 5e Rezens. Unterhaltung 1658 mal gelesen

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