Leseprobe Min-Tao
copyright by Susanne Pilastro
Dongjing, Frühling 1069
Der Kirschbaum, in dessen Schatten ich saß, hatte vor wenigen Tagen begonnen, rosa Knospen zu bilden. Mein Blick wanderte über die Gartenanlage, und ich freute mich einmal mehr über die hervorragende Arbeit der Hofgärtner, die in dem künstlich angelegten Park ein Stück idyllische Naturlandschaft geschaffen hatten. Hier fühlte ich mich stets vollkommen eins mit allem um mich herum. Ich spürte den leichten Wind über meine Wangen streichen, hörte das Rascheln der Bäume, das Knistern des Schilfes, welches die Teiche in der Nähe umrahmte. Von dort erklangen auch die Rufe von Enten. Ein großer Schwarm Singvögel hatte sich im Flieder, der einige Schritte entfernt stand, niedergelassen und veranstaltete ein Konzert. Dennoch konnte der Vogelgesang nicht das stete Summen der Insekten übertönen, die nun verstärkt im Garten nach Blütenstaub suchten. Ein Käfer flog brummend an meinem Ohr vorbei und ich quietschte vor Überraschung. Als ich ihn mit der Hand beiseiteschob, änderte er seine Flugbahn und landete auf meinem Knie. Dem Käfer schien der Landeplatz zu gefallen. Er fuhr seine Flügel ein und saß regungslos da. Nur seine Fühler vibrierten ein wenig. Zufrieden lächelte ich und lehnte mich an den Baumstamm; dabei schweifte mein Blick zur Baumkrone. Einige wenige Knospen hatten sich zu Blüten geöffnet und ich fühlte mich an meine Heimat erinnert. Damals war es auch die Zeit der Kirschblüte gewesen, als ich im Hause meiner Eltern geboren wurde.
Mir wurde wieder einmal bewusst, wie weit entfernt mein Elternhaus war und Wehmut stieg in mir auf. Über neun Monde war es nun her, dass meine unbeschwerte Kindheit so plötzlich geendet hatte. Im Sommer des letzten Jahres hatte mein Vater mich drei Monde nach meinem dreizehnten Frühling hierher gebracht, nach Dongjing in den Palast des Kaisers Shenzong...
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Dongjing, Frühling 1069
Der Kirschbaum, in dessen Schatten ich saß, hatte vor wenigen Tagen begonnen, rosa Knospen zu bilden. Mein Blick wanderte über die Gartenanlage, und ich freute mich einmal mehr über die hervorragende Arbeit der Hofgärtner, die in dem künstlich angelegten Park ein Stück idyllische Naturlandschaft geschaffen hatten. Hier fühlte ich mich stets vollkommen eins mit allem um mich herum. Ich spürte den leichten Wind über meine Wangen streichen, hörte das Rascheln der Bäume, das Knistern des Schilfes, welches die Teiche in der Nähe umrahmte. Von dort erklangen auch die Rufe von Enten. Ein großer Schwarm Singvögel hatte sich im Flieder, der einige Schritte entfernt stand, niedergelassen und veranstaltete ein Konzert. Dennoch konnte der Vogelgesang nicht das stete Summen der Insekten übertönen, die nun verstärkt im Garten nach Blütenstaub suchten. Ein Käfer flog brummend an meinem Ohr vorbei und ich quietschte vor Überraschung. Als ich ihn mit der Hand beiseiteschob, änderte er seine Flugbahn und landete auf meinem Knie. Dem Käfer schien der Landeplatz zu gefallen. Er fuhr seine Flügel ein und saß regungslos da. Nur seine Fühler vibrierten ein wenig. Zufrieden lächelte ich und lehnte mich an den Baumstamm; dabei schweifte mein Blick zur Baumkrone. Einige wenige Knospen hatten sich zu Blüten geöffnet und ich fühlte mich an meine Heimat erinnert. Damals war es auch die Zeit der Kirschblüte gewesen, als ich im Hause meiner Eltern geboren wurde.
Mir wurde wieder einmal bewusst, wie weit entfernt mein Elternhaus war und Wehmut stieg in mir auf. Über neun Monde war es nun her, dass meine unbeschwerte Kindheit so plötzlich geendet hatte. Im Sommer des letzten Jahres hatte mein Vater mich drei Monde nach meinem dreizehnten Frühling hierher gebracht, nach Dongjing in den Palast des Kaisers Shenzong...
Susanne Pilastro - 19. Jan, 21:17
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